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Gießener Allgemeine vom 24.7.2022

Klanglich intim und fein

von Sascha Jouini
Mascha Wehrmeyer und Julius Schepansky spielen in der Basilika. © Sascha Jouini

Gießen (jou). Das vierte und letzte Basilika-Konzert am Sonntagvormittag bot Vertrautes in neuem Gewand: Akkordeonist Julius Schepansky hatte den Klavierpart diverser Kompositionen eigens für sein Instrument bearbeitet und eröffnete auf dem Schiffenberg gemeinsam mit Violinistin Mascha Wehrmeyer reizvolle Hörhorizonte.

Hatte sich beim vorangehenden Konzert das E-Piano als bloßer Kompromiss erwiesen, so bildete nun das Akkordeon eine echte Alternative zum Flügel. Klanglich viel intimer und feiner, als dies damit möglich wäre, spielte das vom Deutschen Musikrat geförderte Duo eingangs Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate Es-Dur KV 481. In der finessenreichen Interpretation verschmolzen Violine und Akkordeon beim Allegro molto-Kopfsatz nahtlos. Gehörig Nachdruck verlieh das Duo dramatischen Passagen.

Dabei betrat Schepansky kaum Neuland, erschienen zu dieser auf den 12. Dezember 1785 datierten Sonate doch bereits kurz nach Entstehung diverse Arrangements. Damals wurde das Werk als ausgesprochen modern empfunden, so riet der Rezensent der »Musikalischen Real-Zeitung« Mozart, »sich weniger vom Modegeschmack unseres Zeitalters fesseln« zu lassen und mehr an älteren Vorbildern zu orientieren. Ganz anders die Resonanz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Alfred Einstein würdigte den zukunftsweisenden Charakter und erkannte im Adagio-Mittelsatz wie beim Finale eine deutliche Nähe zu Beethoven.

Das Adagio hatte es in sich, derart tiefgründig kam die sangbare Melodie daher. Wehrmeyer passte sich ihrem Duopartner sensibel an, sie spielte sanfter, als dies bei einer Klavierbegleitung der Fall gewesen wäre. So auch bei den vielgestaltigen Allegretto-Variationen, die das Werk zu einem gelungenen Abschluss führten.

Hohen Ansprüchen genügte die Darbietung auch bei Alfred Schnittkes neoklassizistischer »Suite im alten Stil«. Das Duo unterstrich in seiner gefühlvollen Interpretation die nostalgischen Züge. Da stand der ruhigen Pastorale ein resoluter, voller Kraft gemeisterter Ballettsatz gegenüber. Oder ein klanglich zurückgenommenes Menuett, das leicht wehmütig längst vergangene Zeiten heraufzubeschwören schien. Fast swingend bewegte sich die Musik in der lebhaft akzentuierten Fuge.

Düstere Entwicklungen zu reflektieren schien danach Paul Hindemiths 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs komponierte Sonate C-Dur in elegischen wie tragischen Momenten und verströmte beim Fugen-Finale bedrückenden Ernst.

Ähnlich fantasievoll wie Hindemith und Schnittke greift Max Reger in seiner »Suite im alten Stil« barocke Formmodelle und Satztechniken auf. Wehrmeyer und Schepansky führten hier in vorwiegend unbeschwerte Ausdruckssphären und vermittelten inspiriert die Experimentierfreude des Komponisten. Besonders gebannt lauschten die Besucher dem Largo, einem emotionalen Höhepunkt des Konzerts.

Für einen folkloristisch gefärbten Ausklang sorgte Antonin Dvoráks »Mazurka« op. 49. Begeistertem Applaus folgte Fritz Kreislers »Die tanzende Puppe« als Zugabe.

 

 


 

Gießener Anzeiger

25.07.2022

Famoser Abschluss der Konzertreihe

Von Heiner Schultz

Glänzend aufeinander abgestimmt: Mascha Wehrmeyer und Julius Schepansky. Foto: Schultz © Schultz

Gießen. Einen großartigen Abschluss erlebte die Reihe der Basilika-Konzerte am Sonntag auf dem Schiffenberg. Mit ihrem Programm »Wurzeln und Flügel« mit Werken von Mozart, Schnittke und Dvorák versetzten Mascha Wehrmeyer (Geige) und Julius Schepansky (Akkordeon) das Publikum im sonnendurchströmten Saal in einen Zustand zauberhaften Wohlgefühls.

Mascha Wehrmeyer (geboren 2000) studiert an der Berliner Hochschule Hanns Eisler. Julius Schepansky (geboren 1998) studiert an der Folkwang Universität in Essen und erhielt einige bedeutende Preise. Alle gespielten Werke wurden von ihm für Violine und Akkordeon bearbeitet. Das Zusammenspiel beider Instrumente kennt man aus diversen Klezmerstücken, doch die Verschmolzenheit dieses Duos erwies sich als etwas ganz Besonderes.

Mozarts Sonate Nr. 33 in Es-Dur KV 481 für Violine und Klavier brachte sogleich die Besonderheit dieses Konzerts ans Licht: der aparte Klangeindruck mit Eleganz und sanfter Frische. Eine wunderbare Detailzeichnung verstärkte das Hörvergnügen.

Die Violine besaß einen runden, kantablen Ton und schwang leichtfüßig in der Begleitung. Das Akkordeon bewies überraschende Cello-Qualitäten, klanglich war das sehr nahe dran. Insgesamt zu erleben waren gute Dynamiksteigerung und narrative Energie. Die beiden Gäste agierten mit sicherer Geschlossenheit und einer besonderen Konvergenz der Stimmen; der verspielte Mozartische Duktus wurde sehr gut umgesetzt.

Das nächste Glanzlicht war Alfred Schnittkes (1934-1998) Suite im alten Stil für Violine und Klavier. Das Werk zeugte von einem träumerischem Miteinander und fast schwebender Leichtigkeit. Exzellent wurde das »Menuett« umgesetzt, der typische Duktus genau getroffen. Schepansky brachte schließlich in der »Fuge« einige Orgelaspekte ein, sehr passend.

Paul Hindemiths (1895-1963) Sonate in C-Dur für Violine und Klavier wirkte als dramatisch angespanntes Stimmungsbild, mit aufgewühlten Emotionen. Mit exzellenter Feinarbeit realisiert, war das eine Musik, die nicht in Kontakt trat. Max Regers (1873-1916) Suite im alten Stil für Violine und Klavier kam eher behände daher, vielschichtig und fröhlich. Mit einem fantastischen Bass-Schmelz des Akkordeons, leidenschaftlicher Eindringlichkeit der Violine und schönster Verwobenheit der Stimmen, der großen Stärke des Duos.

Auf Antonín Dvoráks (1841-1904) Mazurka für Violine und Klavier schienen die Musiker geradezu gewartet zu haben: mit Schmäh, sanftem Schwelgen und reichem Ausdruck der Geige. So erwiesen sich die beiden jungen Musiker als rundum famoses Duo, das mit beispielhafter Wahrhaftigkeit des Ausdrucks musizierte.

Als Zugabe spielten sie Fritz Kreislers »Tanzende Puppe«: Süffige Wiener Stimmung mit einem leichten Kinderreim-Charme. Es war ein toller Abschluss einer »erfolgreichen Saison«, wie Annegret Kausen vom Vorstand des Vereins Gießener Meisterkonzerte zutreffend resümierte.