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Gießener Allgemeine vom 15.07.2024

Griff in Kuriositäten-Kiste ein Clou

Oboist und Englischhornspieler Jan Adamus und Organistin Jirina Marešová am Orgelpositiv gestalteten am Sonntagvormittag das letzte Basilikakonzert der Saison auf dem Schiffenberg.

Jan Adamus und Jirina Maresová begeistern auf dem Schiffenberg. © Sascha Jouini

Zum Abschluss der Basilika-Konzerte konnte das zahlreiche Publikum bei sonnigem Wetter auf dem Schiffenberg ein vielfältiges Programm erleben. Dabei lag der Reiz neben der nicht alltäglichen Instrumentenkombination Oboe und Orgelpositiv auch in der fein aufeinander abgestimmten Spielweise von Jan Adamus und Jirina Maresová. Während Adamus zum dritten Mal in Gießen Gast war, hatte Maresová ihr Debüt bei den Basilika-Konzerten. Womöglich zum ersten Mal überhaupt war in der romanischen Kirche eine Orgel zu hören. Akustisch kam das Duo ebenso gut zur Geltung wie die anderen Formationen der Saison.

Eckpfeiler des Programms bildeten mehrsätzige Barockkompositionen, und hier hatten es die langsamen Sätze besonders in sich. So betörte die anmutige Oboenmelodie in der eröffnenden Siciliana von Georg Philipp Telemanns Partita G-Dur Nr. 2. Doch auch die schnellen Sätze gefielen durch finessenreiche Gestaltung.

Am meisten haften blieb, wie das Duo die rhythmische Beschwingtheit traf und pointiert-trocken die Abschlüsse aus dem Ärmel schüttelte.

In die Übergangszeit zwischen Barock und Frühklassik führte Carl Philipp Emanuel Bachs Rondo a-Moll. Eigentlich für Klavier geschrieben, erstrahlte das Stück auf dem Orgelpositiv in reichen Schattierungen. Dabei brachte Maresová die leidenschaftliche Dramatik fantasievoll herüber.

Als erster Komponist, der ausschließlich durch Instrumentalmusik zu Ruhm gelangte, gilt Arcangelo Corelli. Sein Konzert für Oboe und Orgel bot eine abwechslungsreiche Satzfolge; dem weihevoll ernsten Präludium standen ausgelassen fröhliche Tänze gegenüber. Auch hier ging der langsame Satz - eine Sarabande mit ausschweifender Melodie - am meisten in die Tiefe. Durchweg begeisterte die ausgefeilte Vortragsweise.

Angesichts der tschechischen Wurzeln des Duos verwunderte kaum, dass es sich auch Komponisten seiner Heimat widmete. Dazu zählte eine Auswahl aus den Präambula für Orgel von Jiri Ignác Linek (1725 bis 1791). Die markierten ein solistisches Glanzlicht; zu loben die flexible Tempogestaltung der Organistin. Dies galt gleichermaßen für Präludium, Fugato und Finale g-Moll von Johann Caspar Fischer.

Die besondere Stärke des Duos lag nicht allein darin, sich weniger geläufigen Komponisten inspiriert zu widmen, vielmehr verlieh es auch häufig gespielten Werken neue Facetten. So verströmte die Oboenmelodie über der wellenartigen Begleitung in »Der Schwan« aus Camille Saint-Saëns‹ »Karneval der Tiere« seltene Edelheit. Und das Largo aus Antonin Dvoráks Sinfonie »Aus der neuen Welt« erhielt durch das dunkler klingende Englischhorn eine intime Note; die Orgel ersetzte vorzüglich ein Orchester.

Ein Griff in die Kuriositäten-Kiste glücke Maresová bei Julius Fuciks »Einzug der Gladiatoren«. Als wäre der Triumphmarsch von 1899 nicht Überraschung genug, bot sie ihn mit augenzwinkerndem Humor auf dem Regal, einer tragbaren Barockorgel, die für eine ganz andere Zeit stand. Die Hörer folgten den Künstlern bis zum Schluss gebannt und erklatschten sich eine Zugabe.

 

 

 

Gießener Anzeiger vom 15.07.2024

Klanggenüsse mit Truhenorgel

Von Heiner Schultz

Ein überzeugendes Duo: Jan Adamus und Jirina Marešová in der Basilika. Foto: Schultz © Schultz

GIESSEN. Einen famosen Abschluss feierten die Basilika Konzerte am Sonntag auf dem Schiffenberg. Das tschechische Duo Jan Adamus und Jiřina Marešová zeigten einem restlos begeisterten Publikum, welche Klanggenüsse mit Oboe und Truhenorgel zu entdecken waren. Zu herausragender Handwerklichkeit kam eine übersprudelnde gute Laune, die im Nu auf die Zuhörer übersprang: Volltreffer.

Jan Adamus (Oboe, Englischhorn) ist ein auch im außereuropäischen Ausland renommierter Solist, der sich auch verschollenen er Oboenliteratur widmet.

Jiřina Marešová studierte Orgel am Prager Konservatorium und an der Prager Akademie der Künste sowie der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Ihr besonderes Interesse gilt dem Musizieren auf historischen Orgeln.  Sie ist Dozentin an der Prager Akademie der Künste. Neben der Truhenorgel spielte sie ein so genanntes Regal, eine Kleinorgel mit schnarrendem Klang.

Schon beim Opener, Georg Philipp Telemanns (1681 – 1767) Partita G-Dur Nr. 2 für Oboe und Orgel wurde klar, dass dies ein bedeutendes Konzert der Basilikareihe werden würde. Man begann mit einem sanften emotionalen Ansatz, dann wurde das Spiel immer dichter, blieb aber immer angenehm entspannt. Insgesamt wurde das leicht, die Orgel schwebte dazu, auch mal tänzerisch.

Die Oboe setzte sich naturgemäß mit ihrem klaren und in diesem Fall phänomenal runden und strahlenden Ton erstmal durch und beeindruckte auch Zuhörer ganz hinten im Publikum.

Solo spielte Marešová Carl Philipp Emanuel Bachs (1714 – 1788) Rondo a-Moll Wq 56 für Klavier. Hier kam der eher weiche Klang der historischen Truhenorgel erstmals an sich zur Geltung. Ein leichtes Klappern der Tastatur bei stärkerem Anschlag irritierte ein Bisschen, ging dann aber gleichsam im Genuss unter. Marešová musizierte fließend und schwungvoll, auch mal in dunkleren Farben. Das war mal etwas  verspielt, dann wieder eindringlich und vor allem spürbar engagiert musiziert. Auffällig war der sehr runde Bass der Orgel.

Arcangelo Corellis (1653 – 1713)  Konzert für Oboe und Orgel kam getragen, die Orgel zunächst etwas statisch. Hier zeigte das Instrument attraktive dunklere Farben, die teilweise aspiriert klangen, organischer. Insgesamt produzierte Marešová auch die komplexe Struktur bei Jiří Ignác Lineks (1725 – 1791) Präambula für Orgel einen sehr transparenten Klang.

Die Sonne ging dann aber erst  richtig auf, als das Duo sich an Camille Saint-Saëns (1835 – 1921) „Der Schwan“ machte. Das kam wunderbar rund, poetisch und mit einem tollen Orgelbass.

Auch Marešovás Improvisation über die Moldau  war eine Freude, fein ziseliert in den Details, wendungsreich – eine zugewandte Musik. Genau wie César Francks „Sortie“ in F (L’organiste), das sie auf dem attraktiv schnarrigen Regal zu Besten gab und einen Riesenapplaus kassierte.

Auch Antonín Dvořáks (1841 – 1904) „Largo“ aus der Symphonie „Aus der Neuen Welt“ für Englischhorn und Orgel glänzte in klanglicher und handwerklicher Vollkommenheit, ein Genuss. Sehr schön war darin auch die fast unmerkliche Note von Melancholie, ein besonderer Akzent und ein Glanzlicht des Konzerts.

Als Zugabe kam noch ein garantierter Hit, die „Barcarole“ aus „Hoffmanns Erzählungen“ von Jaques Offenbach, mit dem bekannt sanften, wellenartigen Schmäh – unwiderstehlich.

Dem Duo war eine instrumentell und klanglich absolut passende Synthese gelungen, das Handwerk gehört zur Oberklasse und der Charme der Musiker war eine Wohltat. Mächtiger, langer Beifall für den glänzenden Abschluss der Reihe für dieses Jahr.