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Gießener Allgemeine vom 1.7.2024

Selten Gespieltes

Das Elaia Quartett demonstriert beim Basilika-Konzert künstlerische Klasse. © Sascha Jouini

Gießen (jou). Mit einem hörenswerten Auftritt des vom Deutschen Musikrat geförderten Elaia Quartetts wurde die Reihe der Basilika-Konzerte fortgesetzt. Die künstlerische Klasse der vier jungen Musikerinnen zeigte sich nicht allein in der niveauvollen Interpretationsweise, sondern auch in der ausgewogenen Werkzusammenstellung, welche die zahlreichen Besucher mit selten Gespieltem konfrontierte.

Ensemble wurde 2020 gegründet

So stellten Leonie Flaksman und Iris Günther (Violinen) sowie Francesca Rivinius (Bratsche) und Karolin Spegg (Cello) dem Wiener Klassiker Joseph Haydn bewusst dessen wenig bekannte venezianische Zeitgenossin Maddalena Sirmen gegenüber. In ihrem Quartett op. 3 Nr. 5 f-Moll verband das Ensemble Kantabilität mit virtuoser Beschwingtheit. Fließend steigerten die Streicherinnen die Tonstärke und spürten dem leidenschaftlichen Ausdruck inspiriert nach. Kaum zu merken, dass sie noch am Anfang ihrer Karriere stehen - vielmehr strahlte ihr Spiel musikalische Reife aus.

Dies bestätigte sich bei Haydns letztem Quartett op. 77 Nr. 2 F-Dur. Profiliert zeichnete das Ensemble die Themen. Die weitläufigen Gedanken fesselten bis hin zur Reprise. Mühelos gelang das rhythmisch knifflige Menuett. Ein Vergnügen, wie nach dem Trio das Hauptthema erst zaghaft, dann resolut wieder einsetzte.

Das Herz vieler Kammermusikliebhaber ließen auch die Andante-Variationen mit der atmenden Melodie höher schlagen. Mit der rechten Dosis Übermut versahen die Künstlerinnen das Finale, das den glänzenden Eindruck abrundete. In Kontrast zu den weiten Melodiebögen standen Igor Strawinskys kurze »Drei Stücke« von 1914. Das Miniaturhafte lag dem Ensemble gleichermaßen, wie es im derb folkloristischen Tanz, der schroffen, »Excentrique« benannten zweiten Nummer und dem geheimnisvoll-introvertierten Schlussstück »Cantique« bewies.

Zu loben ist auch, dass das Elaia Quartett der immer noch zu selten gespielten romantischen Komponistin Fanny Hensel Beachtung schenkte. Ein Jahr vor ihrem Tod schrieb die Schwester Felix Mendelssohn Bartholdys ihr einziges Streichquartett Es-Dur. Emotional intensiv geriet der Sehnsucht verströmende Adagio-Kopfsatz. Im Ganzen zeugte das beseelt dargebotene Quartett von kompositorischer Eigenständigkeit. Für den langen Beifall dankten die Musikerinnen mit dem Bach-Choral »Allein Gott in der Höh sei Ehr« als Zugabe.
Sascha Jouini

 

Gießener Anzeiger vom 04.07.2024

 

Ein Klangtrip in faszinierende Welten

In Höchstform: Das Elaia Quartett zeigt ein spannendes Programm in der Reihe der Basilika-Konzerte auf dem Schiffenberg.

Gießen . Eine geradezu traumhafte Vorstellung lieferte das Elaia Quartett in der Reihe der Basilika-Konzerte auf dem Schiffenberg ab. Die vier jungen Streicherinnen bereiteten dem Publikum mit ihrer ungestümen Spielfreude und herausragenden Musikalität bei Werken von Hensel, Sirmen, Haydn und Strawinsky ein Musikerlebnis der Oberklasse.

Die Musikerinnen begannen mit der relativ unbekannten Komponistin Maddalena Sirmen (1745-1818). Das klang im Auftakt fein, fast verhalten, wurde dann fröhlich und kraftvoll. Das Ensemble zeigte schon in diesem Teil große stimmungsmäßige Diversität - fließend oder beschwingt. Auffallend war die fabelhafte Dynamikgestaltung, zu erleben war ein perfekt aufeinander eingestimmtes Ensemble.

Iris Günther und Leonie Flaksman (Violine), Francesca Rivinius, (Viola) und Karolin Spegg (Cello) studieren nach der Ausbildung an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin nun an der HMTM in München. Im Finale des Deutschen Musikwettbewerbs 2022 erspielte sich das 2001 in Italien formierte Quartett ein Stipendium mit Aufnahme in die Konzertförderung des Deutschen Musikrats.

Auf dem Schiffenberg wurde es musikalisch zunächst ungewöhnlich, fast exotisch: mit Igor Strawinskys (1882-1971) »Drei Stücken für Streichquartett« (1914). Die Teile »Dance«, »Excentrique« und »Cantique« brachten ganz und gar ungewohnte Klänge in die Basilika. Strawinsky »war zur Zeit der Komposition in Höchstform«, hieß es in der Moderation. »Dance« erinnerte in seiner leichtfüßigen Form und Vielfalt mal ein wenig an das Intro von »Sgt. Pepper« von den Beatles, dann an ein Motiv aus dem Kinofilm »Der weiße Hai«. »Excentrique« lief dann gleichsam mit spinnenartigen Schritten durch den Raum, Hitchcock hätte das sehr gemocht. Zwischendurch folgten Dynamikschläge, dann sich quasi anschleichende Klänge - effektive Spannungsmusik und zugleich ein Trip in andere Welten. So kommt bei diesem Ensemble zur herausragenden handwerklichen Güte auch die Neigung und die Kompetenz zur Auswahl besonderer Literatur, die das inhaltliche Spektrum erweitert.

Joseph Haydns Streichquartett op. 77,2 ließen die Gäste dann ebenfalls im schönsten Glanz erstrahlen. Nach einem kraftvollen Beginn kam federleichte Mehrstimmigkeit und eine trippelige Melodieführung hinzu, hingeführt zu einem prächtigen Klanggipfel. Differenziert herausgearbeitete Momente, verspielte, auch poetische verhaltene Aspekte, kleinere Explosionen waren zu hören, dann im Finale mit Schmackes musiziert, die Spannung mit retardierenden Elementen gekonnt gesteigert.

Fanny Hensels (1805-1847) »leider einziges Streichquartett« erwies sich dann als Krönung des Konzerts. Die Schwester Felix Mendelssohn Bartholdys löste sich früh von musikalischen Konventionen, obgleich sie sogar in der Familie kaum Rückhalt fand, ihr Bruder gab erst spät seinen Segen zur Profilaufbahn. Das Elaia Quartett lief hier noch einmal zu allerhöchster Form auf. Beginnend mit sanftem Gefühl und famosem Fluss genoss man feinste Nuancen. Superb geriet die Auffaltung zum großen Klang. Aber auch nachdenkliche, melancholische Aspekte wurden erkennbar. Der große Gipfel war dann mit der ersten Violine makellos differenziert gestaltet. Hensel schrieb virtuos und oft hörbar neben den üblichen Erwartungen, was in Gießen für ein prächtiges Finale sorgte.

Nach so viel Energie kam die Zugabe als Streicheleinheit fürs Gemüt genau richtig. Der Bach-Choral »Allein Gott in der Höh' sei Ehr« wirkte von den vier Streicherinnen genauso berührend wie von Orgel und Chor in einem großen Theaterhaus. Massiver Beifall.