Sonntag, 10. Juli 2022, 11.30 Uhr in der Basilika auf dem Schiffenberg
"Pierrot"
Anna-Lena Perenthaler (Violoncello), André Dolabella (Klavier)
Preziosität, Extravaganz, prinzliches Gebaren, hochmütige Weltfremdheit, metaphysische Eloquenz, geistreich verrückte Atmosphäre, Pierrot als Destillat eines Lebensgefühls.
Nicht nur der Titel der Cellosonate Debussys war zeitweise programmatisch mit „Pierrot fâché avec la lune“ (Pierrot im Zwist mit dem Monde) bedacht. Auch zum gesamten 2.Satz Sérénade ist ein Programm überliefert: Der betrunkene Pierrot torkelt durch die Gassen, stößt sich an einer Laterne, singt unter dem Balkon seiner angebeteten Columbine mit seiner verstimmten Guitarre - sie wiederum schmiert ihm erst Honig um den Mund, lässt ihn dann eiskalt abblitzen, macht sich über ihn lustig… Debussy lässt sich gerne als Achille Claude de Bussy rufen und versucht mit großer Anstrengung den Ansprüchen der höheren Gesellschaft nachzukommen. Zugleich findet er Zerstreuung und Ausgleich im soeben eröffneten „Chat noir“, wo er zuweilen mit einer Blechgabel die Volkschöre dirigiert.
Francis Poulenc komponierte seine Cellosonate nach dem 2. Weltkrieg, und stieß beeinflusst von Stravinsky, Maurice Chavellier und dem französischen Vaudeville zu der „Groupe des Six“, die den Impressionismus zu Gunsten einer größeren Einfachheit und Klarheit ablehnt. Vorbilder sind Mozart und Saint-Säens. Seine Musik wankt stetig zwischen den zwei „K“ : Kokotten und Klosternonnen. Seine tiefe Gläubigkeit und eine charmante Vulgärität erschienen ihm wichtiger als das vorgeblich tiefe Gefühl der Romantik. Somit ist er ebenso ein Sohn des Conservatoires und der Pariser Music Halls.
Musik des „fin-de-siecle“ bis 1948 führt uns durch die Ober- und Unterwelt Paris: Erik Satie, der schon 1890 Musik schreibt, die das Denken fördert oder Musik als Möbel installiert; im Salon „Boulangerie“ der Pianistin, Komponistin und Musikpädagogin Nadia Boulanger treffen wir auf ihre Schüler Heitor Villa-Lobos und Camargo Guarnieri; und schließlich mit Charles Trenet „Au clair de la lune“ und Poulencs Jugendhit „Les Chemie de l’amour“ verschnaufen wir in den Music Halls und begegnen Pierrot, einem phantasque melancholischem Dandy und getäuschtem Liebhaber, der wie immer am Ende eine lächerliche Figur macht. (A.-L. Perenthaler)
Anna-Lena Perenthaler ist erste Preisträgerin, sowie Publikumspreisträgerin des internationalen Wettbewerbs „Musica Antiqua“ in Brügge. Im Frühjahr 2020 gründete sie die Konzertreihe „Nachbarschaftsmusik": aus dem Gedanken heraus die Nachbarschaft in Krisenzeiten zu stärken, entsprang ein Konzertformat mit interdisziplinärem und interaktivem Ansatz, das sowohl für Kinder, wie auch für Kenner, oder unbefleckte Musikinteressierte funktionierte. 2021 baute sie diese Reihe zu einem Festival aus. Ihr Anliegen ist es, ihr Publikum mitzureißen und schöpferisch am Konzertgeschehen zu beteiligen. Ihr Studium absolvierte Sie bei Prof. Maria Kliegel, Jean-Guihen Queyras und Prof. Troels Svane und schloss 2012 mit der Bestnote ab. Anna-Lena Perenthaler konzertierte sie als Solistin mit namhaften Orchestern wie dem Gürzenichorchester Köln, den Bergischen Sympohonikern, Il Gardelino… und war Semifinalistin beim Deutschen Muskwettbewerb und im internationalen Wettbewerb „Ton und Wort“. Wichtige cellistische Impulse gab Ihr u.a. auch David Geringas. Im Bereich der Neuen Musik war sie bereits bei namhaften Ensembles zu Gast wie dem Ensemble Resonanz Hamburg und dem Decoder Ensemble - Band für aktuelle Musik. Zudem entstanden Werke für Cello Solo, die Anna-Lena Perenthaler gewidmet sind, wie „Perempuan“ von Donny Karsadi und das „Lied ohne Worte“ von Christian Alexander Fritz. Durch ihre Orchestererfahrungen im Konzerthausorchester Berlin, dem NDR-Sinfonieorchester Hamburg, so wie der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, arbeitete sie mit Dirigenten wie Paavo Järvi, Semyon Bychkov und schließlich Thomas Hengelbrock zusammen, der sie fest in seinem Balthasar-Neumann-Ensemble engagierte. Dieses Ensemble arbeitet auf wissenschaftlicher Grundlage und musiziert auf dem Instrumentarium der jeweiligen Zeit. Dadurch angeregt absolvierte sie ein Master Studium für historische Interpretationspraxis bei Kristin von der Goltz in Frankfurt am Main. Anna-Lena Perenthaler war Solo-Cellistin an der Oper Pforzheim und wechselte im März 2019 in das Quartett Salut Salon.
André Dolabella ist Konzertpianist und Begründer der Lied- und Kammermusikreihe „Konzerte im Pool“ in Frankfurt a.M., sowie Dozent an den Hochschulen für Musik Nürnberg und Mainz. 1983 in Belo Horizonte (Brasilien) geboren, begann er seine pianistische Ausbildung 1995 bei Prof. Robério Molinari und Prof. Frédéric Meinders. Ab 2002 absolvierte er ein Diplomstudium bei Prof. Solter an der Hochschule für Musik in Karlsruhe, welches er mit Auszeichnung abschloss. Es folgte ein Master-Studium ebenda. André Dolabella ist mit zahlreichen Preisen in Brasilien und Deutschland ausgezeichnet worden, darunter der Büttner Klavierwettbewerb (2003) und der Wettbewerb des Kultur-Fonds Baden e.V.; zudem war er Stipendiat des Richard-Wagner-Verbandes Karlsruhe. Als Solist debütierte er mit namhaften Orchestern wie dem Minas Gerais Staatsorchester, dem Porto Alegre Staatsorchester, dem Philharmonischen Orchester Bacau, dem Niedersächsischen Staatsorchester Hannover und zuletzt 2022 mit dem Hastings Philharmonic Orchestra. Neben seiner internationalen Konzerttätigkeit als Kammermusiker und Liedbegleiter korrepetierte und dirigierte André Dolabella von 2009 bis 2013 als Ensemblemitglied an der Staatsoper Hannover.